In der letzten Woche habe ich mit gemischten Gefühlen die eigentlich freudige Nachricht gelesen, dass es Ende diesen Jahres einen Bluttest für Frauen in der 10. Schwangerschaftswoche geben wird, mit dem eine Trisomie 21 (Down-Syndrom) beim ungeborenen Kind mit 100 prozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die Ergebnisse der Pilotstudie dieses Testes, der von der Konstanzer Firma LifeCodexx AG entwickelt wurde, sind bereits im Frühjahr vorgestellt worden, und es wurde bestätigt, dass ein Down-Syndrom "mit einer Sensitivität und Spezifität von 100 Prozent", also absolut sicher festgestellt werden kann. Diese innovative Entwicklung wird mit Sicherheit die Pränataldiagnostik revolutionieren, ist ein Down-Syndrom bisher doch nur sicher durch eine Amniozentese, also eine Fruchtwasseruntersuchung festzustellen, die immerhin ein Abortrisiko von 1% birgt. Bei der nichtinvasiven Nackenfaltenmessung des Fötus wird die Sicherheit eines richtigen Ergebnisses lediglich mit 70 bis 80% angegeben. Das Ergebnis der Untersuchung ist außerdem sehr von den sonografischen Fähigkeiten des Gynäkologen abhängig.
Und nun kommt dieser Test, der mit nur wenigen Millilitern Blut Klarheit verschafft. Ganz einfach, kein Irrtum möglich und kein Abortrisiko. Aber ist dieser Bluttest nicht auch eine Art der Präimplantationsdiagnostik? Nur wird darüber nicht gestritten oder beraten, eine Blutentnahme ist schließlich nicht unethisch, die Konsequenzen des Ergebnisses, insbesondere nach Übernahme des Testes in die Routinevorsorge schwangerer Frauen allerdings eher! Sollte sich dieser Test in der Praxis bewähren und schliesslich auch durch Krankenkassen finanziert werden und gehen wir davon aus, dass sich weiterhin 9 von 10 Paaren für einen Schwangerschaftsabbruch bei Down-Syndrom-Diagnose entscheiden, müssen wir leider damit rechnen, dass Down-Syndrom-Menschen aus unserer Gesellschaft verschwinden. Warum leider, fragt ihr vielleicht. Erschweren diese behinderten Kinder doch das Leben vieler Familien, zerstören Ehen, kosten Steuergelder und beanspruchen außerordentlich unser Gesundheitssystem! In einigen Jahren kinderorthopädischer Tätigkeit habe ich allerdings gelernt, dass diese Menschen auch etwas sehr Besonderes sind: sicher sind sie meist geistig und manchmal auch körperlich behindert, sind oft dick, haben Herzfehler und allerhand orthopädische Problem und fallen durch ihre typische Physiognomie jedem auf, sabbern und lärmen. Genauso uniform wie ihre körperlichen Stigmata scheint jedoch auch ihr Charakter zu sein: ihre liebevolle Art, ihre unverblümte Offenheit, ihre Konzentration aufs Wesentliche, ihre sagenhafte Neugier, ihr Pragmatizismus, ihre Anhänglichkeit und ihre geduldiges Ertragen von notwendigen Prozeduren haben mich immer wieder staunen und zu der Erkenntnis kommen lassen, dass diese Menschen definitiv unser Leben bereichern und wir bei einem genauen Blick noch so einiges von ihnen lernen können. Die Mutter eines solchen 18-jährigen Mädchens mit einer Trisomie 21 hat mir dies kürzlich bestätigt, indem sie sagte, dass sie sich ihre Familie nicht anders wünschen würde als sie ist.
(Quelle: Süddeutsche.com)
Ein gibt allerdings noch ein pikantes Detail des neuen Testverfahrens: Unsere Bundesforschungsministerin Annette Schavan fördert LifeCodexx mit diesem Projekt im Rahmen der Initiative "Kleine und mittlere Unternehmen - innovativ". Und hat sich gerade noch gegen die Präimplantationsdiagnostik ausgesprochen.
Beate Schnuck
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen