30. August 2011

Was hab ich?

Im Januar diesen Jahres formierte sich eine Internetplattform, die von zwei Medizinstudenten und einem Informatiker ins Leben gerufen wurde. Ich las darüber vor einigen Monaten einen Artikel in der Tageszeitung und war begeistert. Medizinstudenten in höheren Semestern übersetzen für Patienten ärztliche Befunde in eine allgemein verständliche Sprache. Jeder Nichtmediziner kann sich sicherlich sehr leicht vorstellen, wie hilflos man der medizinischen Fachsprache ausgesetzt ist, wenn man sich mit einem eigenen Befund auseinandersetzen möchte und nicht in der Lage ist, einen einzigen Satz zu deuten. Wenige eigentlich harmlose Worte lassen dann schnell eine schlimme Diagnose vermuten. Um dem abzuhelfen können sämtliche ärztliche Befundberichte sowie Operationsberichte und Entlassungsbriefe per email oder auch Fax nach Registrierung eingesendet werden. Idealerweise erhält der Patient 24 Stunden später den Befund verständlich schriftlich erläutert. Die Anonymität des Patienten sowie der vertrauliche Umgang mit den medizinischen Daten wird selbstverständlich garantiert. Die Seite ist sehr übersichtlich strukturiert, die Handhabung erschließt sich von selbst.
Das Portal erfreute sich seit Beginn einer großen Nachfrage mit steigender Tendenz. Mittlerweile sind über 100 Medizinstudenten und 9 Ärzte für washabich.de tätig. Alle Mitarbeiter sind ehrenamtlich beschäftigt. Begeisterte Nutzer bedanken sich hin und wieder mit einer Geldspende, aber auch die herzlichen Worte vieler Patienten sind ein wirklicher Ansporn für Studenten und Ärzte, die bei washabich.de tätig sind.
Ich habe mich nach dem Lesen des Artikels voller Begeisterung bei washabich.de angemeldet. Die Kontaktaufnahme per email sowie telefonisch erfolgte umgehend, ich führte ein nettes Kennenlerngespräch mit Anja Kersten, die mit Johannes Bittner und Ansgar Jonietz das Portal betreibt. Nach einem Online-Tutorial, in dem die Handhabung der Seite erläutert wurde, hatte ich noch einmal die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Und dann konnte es losgehen.
Aufgrund meiner Spezialisierung wählte ich natürlich aus dem Pool einen orthopädischen Befundbericht, übersetzte Satz für Satz und sendete mein Ergebnis, mit dem ich an und für sich sehr zufrieden war, an meine mir zugewiesene Tutorin. Nach wenigen Stunden erhielt ich einen Anruf und nach einigen Erläuterungen meine Arbeit zurück. Erst nachdem ich mir einige Übersetzungen meiner Tutorin angeschaut habe, bemerkte ich, dass hier nicht nur ein Befund Satz für Satz übersetzt wurde. Mit viel Liebe zum Detail wurden einzelne Krankheitsbilder und Diagnosen ausführlich erläutert, anatomische Strukturen genauestens erklärt und Textpassagen durch Absätze, Unterstreichungen, Überschriften und Farbe strukturiert. Ich machte mich also von Neuem an die Arbeit, und dieses Mal war meine Tutorin zufrieden. Die dankbare Rückmeldung meines Patienten sowie eine Geldspende  einige Tage später waren weit mehr, als ich erwartet habe und lassen mich motiviert mit der nächsten Übersetzung beginnen.
In diesem Jahr ist washabich.de trotz seines kurzen Bestehens bereits für den Springer Medizin Charity Award nominiert, und ich habe meine Stimme für diese Plattform gegeben. Johannes Bittner, Anja Kersten und Ansgar Jonietz haben mit ihrem Portal für viele Patienten eine einmalige Möglichkeit geschaffen, ihre medizinischen Befunde nicht nur zu verstehen sondern liebevoll erläutert zu bekommen, was von Ärzten in der täglichen Praxis leider selten geleistet wird. Die Mitarbeiter leisten hierfür wöchentlich unzählige ehrenamtliche Stunden. Ich jedenfalls nehme mir vor, mit meinen Patienten so zu sprechen, dass sie washabich.de nicht in Anspruch nehmen müssen und wünsche allen Mitarbeitern, dass sie ihr Engagement und ihre Empathie für ihre Patienten später im oftmals stressigen und schnelllebigen Klinikalltag nicht verlieren!

Beate Schnuck

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