31. Oktober 2012

Zu unserem Interview

Für alle, die keine Möglichkeit haben, unser Interview in der OUMN (Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten) zu lesen und es dennoch gerne täten - hier haben wir das PDF-file, was uns netterweise Frau Ehrhardt-Joswig zur Verfügung gestellt hat. Nochmals vielen Dank!
Wir beide haben bisher sehr positives (meist mündliches) Feedback bekommen. Gibt es auch Leute, die anderer Meinung sind? Meldet euch bitte! Uns interessieren brennend andere Standpunkte und Erfahrungen! Wie geht es Euch Kolleginnen in Schwangerschaft und Elternzeit? Wie hat sich Eure Rückkehr in den Beruf gestaltet? Und wie vereinbart ihr Euren Job mit dem Familienleben?
Übrigends, sorry für die kleine Schrift. Die Formatierung war ein Problem...Viel Spaß beim Lesen!

Beate



Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten | Oktober 2012
Aus unserem Fach
Zwei Orthopädinnen, zwei Freundinnen: Yvonne Ebel (li.) arbeitet als Fachärztin in der Klinik am Eichert in Göppingen, Beate Schnuck als leitende Ärztin der Kinderorthopädie am Diakoniekrankenhaus Rotenburg/Wümme.
FAMILIE UND BERUF
„Frauen können eigenverantwortlich entscheiden“
Die eine hat gerade ein Kind bekommen, die andere ist nach einem Jahr Elternzeit in ihren Beruf zurückgekehrt: Dr. Yvonne Ebel und Beate Schnuck. Kurz vor der Geburt des Kindes von Frau Dr. Ebel sprechen die beiden Fachärztinnen in den OUMN darüber, ob und wie die Mutterschaft ihren Arbeitsalltag verändert hat.
Sie beide haben einen arbeitsintensiven Beruf, Frau Dr. Ebel als Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Frau Schnuck als Fachärztin für Orthopädie mit der Zusatzbezeichnung Kinderortho- pädie. Fällt die Entscheidung für ein Kind dann schwer?
Ebel: Man macht sich schon Gedanken: Hat man den Facharzttitel in der Tasche? Passt ein Kind zur Karriereplanung? Man überlegt sich den Zeitpunkt, wann ein Kind passend sein könnte. Wobei es den richtigen Zeitpunkt eigentlich nicht gibt.
Schnuck: Ich habe gar nicht so sehr über meinen Beruf nachgedacht, sondern eher versucht, meinen Kinderwunsch mit meinem Leben zu vereinbaren. Ich engagiere mich sehr für meinen Beruf – dennoch war für mich die Frage wichtiger, ob ich den richtigen Partner habe, mit dem ich ein Kind großziehen möchte.

Wie haben Ihre Chefs und Kollegen auf die Schwangerschaft reagiert?
Schnuck: Meine Kollegen haben gratuliert und die erfreuliche Nachricht positiv aufgenommen. Die Geschäftsführung der Klinik, an der ich vorher tätig war, hat mir allerdings zu verstehen gegeben, dass meine anderen Umstände als Oberärztin unpassend sind.
Hat Ihre Schwangerschaft den Dienstplan gefährdet?
Schnuck: Da ich im OP-Saal nicht mehr röntgen konnte, habe ich im Dienst die Telefonbereitschaft übernommen, operieren musste jemand anders. Diese Lü- cke zu füllen war für die Abteilung nicht leicht und bedeutete Mehrarbeit für meine Kollegen, die sich jedoch sehr verständnisvoll verhielten.
Ebel: Ich habe meinen Chef relativ früh eingeweiht, schon in der fünften oder sechsten Schwangerschaftswoche. Er hat mich dann bei Operationen eingeteilt, bei denen nicht geröntgt wurde. Offiziell habe ich meine Schwangerschaft der Klinikleitung nach dem fünften Monat mitgeteilt.
Von diesem Zeitpunkt an habe ich nicht mehr operiert, sondern administrative Aufgaben und Sprechstunden übernommen. Ich habe das ganz gelassen gesehen, da ich schon Fachärztin bin und keine Logbuch-relevanten Operationen mehr brauche. Außerdem war ich mit fortschreitender Schwangerschaft körperlich weniger leistungsfähig. Meine männlichen Kollegen fanden das eigentlich ganz gut, weil ich ihnen keine Operationen mehr wegnehmen konnte.
Eine interessante Formulierung.
Ebel: Ja, es gibt durchaus eine gewisse Rivalität. Jeder will lieber selbst operieren statt zu assistieren oder gar Stationsarbeit zu leisten.

Der Deutsche Ärztinnenbund fordert eine Anpassung des Mutterschutzge- setzes für medizinische Berufe. Wei- terbildungsassistentinnen klagen oft darüber, dass sie der Mutterschutz aus dem Beruf katapultiert und sie ihre OP- Kataloge nicht erfüllen können. Sehen Sie das auch so?
Schnuck: Im Mutterschutzgesetz steht an keiner Stelle, dass eine Schwangere nicht operieren darf.
Genau darum geht es: Dass die Klinikleitungen aus einer Unsicherheit heraus schwangere Frauen aus dem OP verbannen, was unter Beachtung bestimmter Maßnahmen nicht nötig sei.
Schnuck: Was die Ärzteschaft angeht, war das in unserer Klinik nicht der Fall, da überwog das Interesse des Managements, die OP-Zahlen aufrechtzuerhal- ten. Mir hat nie jemand angetragen, mich aus dem OP fernzuhalten, ganz im Gegenteil, ich musste anfangs darauf hinweisen, dass ich bestimmte Eingriffe nicht übernehmen konnte, weil dabei geröntgt wurde. Prinzipiell finde ich es absolut richtig, dass auch schwangere Ärztinnen operieren. Allerdings sollte es im Ermessen der Einzelnen liegen, wozu sie während ihrer Schwangerschaft in der Lage ist.

Leider ist es vielerorts so, dass auf eine schwangere Frau in der Abteilung wenig Rücksicht genommen wird.
Dabei wäre es häufig mit ein bisschen Mühe und Aufwand möglich, den Klinikarbeitsplatz so gestalten, dass er für eine Schwangere interessant bleibt, den besonderen Gegebenheiten angepasst ist und mehr bietet als ausschließlich Stationsarbeit oder administrative Aufgaben.
Ebel: Auch ich bin der Meinung, dass eine Frau eigenverantwortlich entschei- den kann, ob sie operieren möchte oder nicht. Dabei geht es ja nicht nur ums Röntgen, sondern auch um Infektionsgefahren. Das Risiko muss und kann man selbst kalkulieren.
Frau Schnuck, Ihr Kind ist jetzt ein Jahr alt, Sie sind in den Arbeitsalltag zurückgekehrt. Sieht der noch so aus wie vorher?
Schnuck: Nein, abgesehen davon habe ich die Klinik gewechselt. Ich bin bis zur Geburt meines Kindes gependelt, 100 Kilometer hin, 100 Kilometer zurück. Das ist mit einem Kleinkind natürlich nicht machbar. Ich habe eine wunderbare und neue berufliche Herausforderung in der Nähe meines Wohnortes gefunden und arbeite jetzt 30 Stunden pro Woche, manchmal ein bisschen mehr. Damit bin ich sehr zufrieden.
Sind die Kinderbetreuungsmöglichkeiten gut?
Schnuck: Ja. In kleineren Städten hat man sicherlich mehr Möglichkeiten als in der Großstadt, das Angebot entspricht in etwa der Nachfrage. Ich habe hier das Glück, die klinikeigene Kinderbetreuung nutzen zu können mit dem Vorteil kurzer Wege und entsprechender Öffnungszeiten.
Fällt es Ihnen schwer, Ihr Kind betreuen zu lassen?
Schnuck: Nein. Nur fällt es mir nicht immer leicht, es fast sieben Stunden täglich betreuen zu lassen. Andererseits bin ich sicher, dass mein Kind sehr gut aufgehoben ist, ebenso halte ich den Kontakt mit anderen Kindern ab dem ersten Lebensjahr für sehr wichtig.
Frau Ebel, Ihr Kind ist noch nicht geboren. Haben Sie schon einen Betreuungsplatz?
Ebel: Nein, aber ich wohne im Großraum Stuttgart, da sind Kita-Plätze knapp, und ich habe mich schon auf mehrere Wartelisten setzen lassen.
Wann wollen Sie wieder arbeiten gehen?
Ebel: Ich denke, ich mache ein Jahr Elternzeit. Ob ich danach an meine Klinik zurückkehre, ist noch nicht klar. So wie die Strukturen dort sind, kann ich es mir eigentlich nicht vorstellen. Vielleicht strebe ich eine Niederlassung in einer Gemeinschaftspraxis an.
Können Sie das Argument nachvollziehen, dass eine Frau in Teilzeit chirurgisch nicht tätig sein kann, weil sie dann die Patienten nach der Operation gar nicht mehr betreuen kann?
Ebel: Das hört man ja oft: Oberärztin in Teilzeit geht nicht. Das ist diskriminierend und falsch. Wer seinen Tagesablauf gut plant, kann Operationen, klinische Tätigkeiten und Sprechstunden auch in Teilzeit unter einen Hut kriegen. Ich sehe es an mir selbst: Ich arbeite sehr effektiv, und ich glaube nicht, dass ich weniger arbeite als ein Kollege in Vollzeit.
Schnuck: Ich kenne einige Oberärztinnen, die in Teilzeit arbeiten. Es erfordert sicherlich einiges an Selbstorganisation, Struktur und Effektivität, um dieser Aufgabe gerecht zu werden, was den Frauen auch meistens dank einer unglaublichen Motivation gelingt. Allerdings gibt es eben noch viele Vorurteile. Ich weiß beispielsweise von einer erfahrenen und kompetenten Oberärztin, die nach der Elternzeit in Teilzeit in ihren Beruf zurückgekehrt ist. Nun hat ihr Chef sie aufgefordert, ihren Oberarzt-Titel zurückzugeben. Das macht mich wirklich wütend.
Alle Welt redet vom Ärztemangel. Über kurz oder lang werden es sich die Kran- kenhäuser nicht leisten können, ihre weiblichen Mitarbeiterinnen zu vergrau- len. Wie können sie es ihnen ermöglichen, trotz Kindern im Beruf zu bleiben?
Schnuck: Die Bereitschaft zur gleichberechtigten Teilzeitbeschäftigung ist unabdingbar. Ärztinnen sind auch in Teilzeittätigkeit hochqualifizierte Arbeitskräfte und müssen voll integrierte Mitglieder des Teams bleiben, gefragte ärztliche Tätigkeiten wie das Operieren dürfen ihnen nicht verwehrt sein. Technische Möglichkeiten, um administrative Aufgaben beispielsweise im home office zu verrichten, sollten geschaffen werden,
Online-Kommunikation ist zeitsparend. Die Grundvoraussetzung ist natürlich die Bereitschaft, sich auf Ärztinnen mit Kindern einzulassen.
Vielen Dank für das Gespräch!

Seit einem Jahr schreiben Beate Schnuck und Dr. Yvonne Ebel in ihrem Blog nicht nur über aktuelle Themen aus Orthopädie und Unfall- chirurgie, sondern auch über allerlei Brisantes und Wissenswertes zu Berufspolitik, Social Media und Lifestyle. Neben ihrem Beruf verbindet die Freundinnen die Lust am Schreiben und eine Begeisterung für die unzähligen Perspektiven, die das World Wide Web bietet. „Wir sind selbst eifrige Leserinnen verschiedenster Blogs und haben da- durch erfahren, wie effektiv und unterhaltsam sich so Informationen vermitteln lassen. Wir wollen interessantes Fachwissen auch mit anderen Berufsgruppen teilen, unsere persönlichen Erfahrungen in unseren Beruf einfließen lassen und uns auch ‚typisch weiblichen‘ Themen widmen. Nicht zu kurz kommen sollen außerdem berufspolitische Informationen sowie Neuigkeiten aus dem noch jungen Social Media-Bereich in der Medizin. Eine gute Recherche versteht sich da von selbst“, so die Autorinnen. Beate Schnuck ar- beitet als Kinderorthopädin und möchte ver- mehrt Kollegen und Kinderorthopädie-Inte- ressierte anderer Fachgebiete mit ihren Bei- trägen ansprechen. Yvonne Ebel recherchiert als Orthopädin und Unfallchirurgin gerne auch mal zu nicht-operativen Themen wie beispielsweise Osteopathie und Rheuma. „Natürlich sind für uns als Frauen auch Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie aktuell, uns ist aber auch der Austausch mit den männlichen Kollegen wichtig, da in unserem Fachgebiet nach wie vor mehr Männer arbeiten. Und jedes Geschlecht hat seine Stärken und Schwächen.“
Zum Weiterlesen und Kommentieren:
www.orthopaedinnen.blogspot.com
Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten | Oktober 2012


Interview: Jana Ehrhardt-Joswig
Jana Ehrhardt-Joswig ist Redakteurin der OUMN.
WAS DENKEN SIE?
Wie sieht es an Ihrer Klinik aus? Haben Frau- en, die Kinder bekommen, die gleichen Chancen im Arbeitsalltag, oder sind Sie mit Vorurteilen konfrontiert oder werden gar aus dem Beruf gedrängt? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, die wir gern in der nächsten Ausgabe veröffentlichen würden, bitte bis zum 9. November an: office@dgou.de
Bitte geben Sie in der Betreffzeile „Leserbrief Mutterschutz“ an.
Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten | Oktober 2012


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