20. Dezember 2011

Eine Woche auf der Stolzalpe

Jeder Orthopäde, der Säuglingssonographien der Hüfte durchführt oder lernen will sie durchzuführen hat schon mal von der "Stolzalpe" und dem Österreicher Reinhard Graf gehört. Herr Graf entwickelte seit Beginn der 80er Jahre die Ultraschalluntersuchung des Hüftgelenkes bei Säuglingen, damals noch unter sehr schwierigen Bedingungen aufgrund schlechter Technik und perfektionierte seine Methode in den folgenden Jahrzehnten in mühsamer Arbeit. In Deutschland wurde erst 1996 der Hüftultraschall in das Screeningprogramm für alle Säuglinge übernommen und routinemässig zur U3 durchgeführt. Mit der Hüftsonographie bei Säuglingen kann man rechtzeitig Fehlentwicklungen an der Hüfte erkennen und therapieren. Reinhard Graf wird seitdem als Begründer der Säuglingshüftsonographie und absoluter Guru auf diesem Gebiet verehrt. Er bietet seit fast 20 Jahren fast wöchentlich Kurse zum Erlernen im Landeskrankenhaus Stolzalpe in der Steiermark an, die von sämtlichen Generationen und älteren Kollegen wärmstens empfohlen werden. Tausende von Ärzten aus dem In- und Ausland haben bereits diese Ausbildung auf der Stolzalpe hinter sich. Selbst mein Vater, der niedergelassener Orthopäde und schon über 60 Jahre ist, war dort und kann sich noch gut an den Kurs erinnern.
Also habe auch ich mich letzte Woche nach 1,5 Jahren (!) Wartezeit auf den Kurs mit meiner Kollegin Dr. Ina Fichtel aus Bietigheim-Bissingen zur Stolzalpe aufgemacht. Nach 4 Stunden Zugfahrt von Stuttgart nach Salzburg und von dort nochmal 2 Stunden mit einem Mietwagen weiter, schraubten wir uns die Serpentinen hoch bis zu der Klinik am Hang. Unfassbar, daß hier auch akute Notfälle eingeliefert werden bei der doch teilweise schwindelerregenden Fahrt mit steilen Abhängen und zeitweise spiegelglatten Strassen. Uns erwartete ein knüppelhartes Programm aus Theorie und immer wieder vom Meister persönlich eingetrichterten Fingerhaltungen zur Schallkopfführung. In immer wiederkehrenden Fragerunden mussten bei Falschantworten teilweise ein paar Cent in die Kasse abgedrückt werden. Angeblich für das Fischfutter des in der Ambulanz befindlichen Aquariums. Wer auf Catering, Getränke oder einen Evaluationsbogen hofft, der wartet bei diesem Kurs vergeblich. Wir flogen abends fix und fertig in unsere Pensionsbetten und hofften, daß der nächste Tag glimpflich über die Bühne ging.
Letztlich war der Lerneffekt in diesen Tagen doch enorm, da wir auch immer wieder eigenständig Sonobilder befunden und daran üben konnten. Wer etwas entspannter Hüftsonographie lernen will und den langen Weg nach Österreich nicht in Kauf nehmen möchte, kann sicher auch einen Kurs in Deutschland besuchen, wobei ich hier die Qualität und die Effizienz nicht beurteilen kann. Schließlich hängt doch von einer guten Sonographie das weitere Schicksal des Hüftgelenkes und damit des Kindes ab.
Zusammenfassend ist dieser Kurs sicher zu empfehlen, jedoch recht anstrengend und es empfiehlt sich zuvor, die von Prof. Graf empfohlene Lektüre (Thieme-Verlag: "Sonographie der Säuglingshüfte und therapeutische Konsequenzen") gut durchzuarbeiten!

Eure Yvonne

Ich mit Prof. Graf und meiner Kollegin Ina Fichtel

1 Kommentar:

  1. Jetzt weiß ich endlich, warum diese Kurse so "sagenumwoben" sind! Ich habe damals meinen Kurs "ganz normal" in Hamburg gemacht. Klar, der Unterhaltungswert war sicher geringer, aber gelernt habe ich auch viel!

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